Fazit

Nun ist der Schreibprozess der Master-Thesis abgeschlossen und das Studium beendet; ein guter Zeitpunkt also für eine abschließende Reflexion.

Programmierung und Kulturlosigkeit

Die wichtigste Inspiration für diese Arbeit war für mich das Buch code@art von Georg Tregemann und Jochen Viehoff, das ich von einem der Autoren geschenkt bekommen habe. Vor allem eine Reihe von Gedanken im ersten Kapitel hat mir geholfen, meinen persönlichen Antrieb, meine Werte und meine Rolle als Lehrender zu formulieren und damit auch die Richtung dieser Arbeit zu definieren. Auch für die beiden Autoren stellt die Programmierung eine effektive Methode zur kulturellen und künstlerischen Reflexion der rasanten Technologisierung dar. Ein besonderes Problem besteht ihrer Ansicht nach darin, dass der Programmierung das Klischee der Kulturlosigkeit anhaftet und dass sie für Kulturschaffende unattraktiv ist. Zwar hat sich seit dem Erscheinen des Buches 2004 sehr viel getan, allerdings begegne ich in meiner Lehre auch heute noch größten Hemmnissen angesichts der Programmierung auf Seiten der Studierenden. Einen frischen Blick auf Code und Programmieren zu ermöglichen, die beidem inhärenten kreativen Potenziale erkennbar und mit Hilfe des Grafikdesigns für ein junges Publikum attraktiv zu machen, dieser Aufgabe möchte ich mich als Lehrender widmen.

Reiterstatue von Mark Aurel

Überraschende Entdeckungen

Die Unsicherheiten und die enormen Dynamiken in unserer Welt durch die Pandemie und den aufflammenden Krieg im Osten Europas hatten größten Einfluss auf mein Studium und diese Masterarbeit. Mein Ziel war es ja, die kulturellen und philosophischen Aspekte des Creative Coding freizulegen und darzustellen. Oft selbst taumelnd auf der Suche nach Halt und Haltung habe ich mich in die Literatur des antiken Hellenismus vertieft. Darin fand ich immer wieder interessante Ideen und Zitate, die ich zur Illustration verschiedener Sachverhalte verwenden konnte. Vor allem aber haben mich die Ideen von Diogenes von Sinope und Mark Aurel bei der Entwicklung meiner eigenen Haltung zur Technologie und zur Technologisierung bestärkt.

...den Sachen selbst auf den Grund gehen und sie durchdringen, so dass man sehen kann, worum es sich dabei eigentlich handelt, so muss man es im ganzen Leben machen, und wo einem die Dinge allzu vertrauenswürdig vorkommen, muss man sie entblößen, ihre Nichtigkeit durchschauen und ihnen den Anschein, mit dem sie sich brüsten, rauben.

Mark Aurel: Selbstbetrachtungen. Ditzingen 2019, S. 70.

Zwei Beispiele: Diogenes stand als Kyniker für den Verzicht und die Beschränkung auf das Wesentliche, was ich im Umgang mit Technologie grundsätzlich für richtig und wichtig halte. Bei Mark Aurel als Stoiker finden sich Textstellen, die eine Art Demystifizierung von scheinbar wertvollen Dingen beschreiben. Angewandt auf die Philosophie der Technik bedeutet dies für mich, mit neugierigem und gleichzeitig skeptischem Blick auf die verlockenden Innovationen zu schauen und dabei stets abzuwägen, was wirklich sinnvoll und was dagegen Theater ist.

Creative Coding als Schule des Schreibens

Wie oben beschrieben geht es mir darum, die Programmierung als künstlerisches Werkzeug zu kultivieren. Um eine Kultur zu schaffen, muss man Narrative entwickeln. Mir hat es während meines Studiums größte Freude bereitet, neue Schreibmethoden zu lernen und Formate zu entwickeln, mit denen ich mich mit Blick auf meine Ziele ausdrücken kann. Die wichtigste Lektion für mich war, dass Sachtexte durch das Mittel der Erzählung einen farbigen und lebendigen Charakter bekommen und so die Reichweite und die Zugänglichkeit von Ideen und Inhalten multiplizieren können. Ich hoffe, dies kann ich mit meiner Master-Thesis beweisen.

Auch wenn es das offensichtliche Ziel von Sachtexten ist, Informationen zu vermitteln, so wirkt das Geschriebene unbeholfen, wie schwarzweiße Fakten in einer bunten Welt, solange diese Informationen im Rohzustand präsentiert werden.

Sol Stein: Über das Schreiben. Franfurt am Main 2001, S. 18.

Querverweis

Vermutlich habe ich Ihre Neugier auf das Thema Creative Coding geweckt, sonst hätten Sie wahrscheinlich nicht bis zu dieser Stelle gelesen. Das freut mich sehr! Auf meiner Webseite finden Sie eine Vielzahl an weiteren Texten, Videos und Kursen zum Thema Creative Coding. Das individuell entwickelte Curriculum richtet sich gezielt an Kommunikations­gestalter:innen im weitesten Sinne. Mit einer Mitgliedschaft in meiner Patreon-Community bekommen Sie Zugang zu diesem Curriculum und darüber hinaus zu vielen exklusiven Inhalten.

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